Bildfilter

Da in der Wiki(p|m)edia immer noch der Streit um die Bildfilter tobt, möchte auch ich mal meinen Senf dazu abgeben.

Die Wikimedia Foundation hat beschlossen für ihre Projekte (Wikipedia, Commons, …) einen Bildfilter einzuführen. Basierend auf einer vorhandenen bzw. noch zu schaffenden Kategorisierung im gemeinsamen Medien-Repositorium Wikimedia Commons sollen entsprechende Bilder nicht mehr angezeigt, sondern mit einem entsprechenden Hinweis versehen werden.

Dies klingt erst einmal ganz gut, um eventuell schockierende, provozierende oder tabuisierte Bilder nicht überraschend zu sehen zu bekommen. Was theoretisch funktionieren könnte, wird in der Praxis aus mehreren Gründen scheitern.

Die Zuordnung der einzelnen Bilder zu den Kategorien kann nur durch jemanden erfolgen, für den sie nicht schockierend, provozierend oder tabu sind. Hier ist es also erforderlich, dass Personen sich Gedanken machen müssen, was für andere schockieren, provozierend oder tabu sein könnte. Dieser wiederum muss sich darauf verlassen, dass diese Kategorisierung durch andere auch wirklich funktioniert.

Eine Person die keine Teddybären-Bilder sehen will, muss sich darauf verlassen, dass andere Personen alle Teddybären-Bilder in die entsprechende Kategorie einordnen. Sie muss sich auch darauf verlassen, dass wirklich nur Teddybären-Bilder in der Kategorie landen und nicht etwa auch Plüsch-Hasen-Bilder. Diese Person könnte ja jetzt selber in die Kategorie nachschauen, ob alles korrekt kategorisiert ist, damit setzt sie sich aber unmittelbar dem Anschauen entsprechender Teddybären-Bilder aus. Diese Person hat somit keine Möglichkeit die Richtigkeit der Einordnung zu prüfen und muss sich voll auf Personen verlassen, die keine Probleme beim Anschauen von Teddybären-Bilder haben.

Hier haben wir schon den ersten Knackpunkt. Es wird unmöglich sein, zu wissen was andere Personen nicht sehen wollen /dürfen/können außer die betroffenen Personen selber. Aber schon bei der Einordnung einzelner Bilder in Randbereichen des Themas wird es zu heftigsten Diskussionen und Edit-Wars kommen. Es wird eine Fraktion entstehen, die auch schon beim kleinsten Anschein einer Thematik dieses Bild in die Kategorie einordnen und es wird eine andere Fraktion geben, die die Anzahl der entspechend kategorisierten Bilder so klein wie möglich halten will und damit alles was nicht explizit ist aus den Kategorien rauswerfen.

Womit wir schon bei einem weiteren Punkt sind. Die Einführung des Filters wird zu weiterem Streit und Edit-Wars in den verschiedenen Projekt-Communitys führen. Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre weiß man, dass viele Punkte bis zur größtmöglichen Aufregung und Aufmerksamkeit gesteigert werden. Wir werden nicht nur Benutzersperrungen, sondern auch den Abgang von Autoren und Fotografen auf Grund dieser nicht enden wollenden und unerträglichen Streitigkeiten erleben.

Ein dritter Punkt wird sich direkt in den Artikeln der einzelnen Projekte abspielen. Sehr schnell werden entsprechende Artikel mit expliziten Fotos geflutet werden. Personen denen das nicht gefällt, wird dann entgegen gehalten: „Wir haben ja den Bildfilter, so dass man die Bilder ja gar nicht sehen muss.“

Im Endeffekt werden wir durch den Bildfilter eine weitere Störung im Miteinander der Autoren erleben. Der Bildfilter wird wahrscheinlich nicht zur Gewinnung weiterer Autoren beitragen. Auch wenn die Foundation davon ausgeht, dass es Millionen potentieller Autoren im arabischen Raum, in China und Indien gibt. Da die Bilder nicht gelöscht, sondern nur nicht angezeigt werden, müssen sich die Autoren aus diesen Bereich trotzdem mit diesen Bildern auseinander setzen. Sie können sie nicht einfach aus den Artikeln löschen, ohne einen Informationsverlust zu schaffen. Andererseits müssen sie die Bilder betrachten und haben damit ihrerseits eine Grenze übertreten.

Ich weiß nicht ob die Foundation bei ihrer Entscheidung zu den Bildfiltern sich über diese Auswirkungen wirklich Gedanken gemacht hat. Hat sie sich diese Gedanken nicht gemacht, dann deutete dies auf eine eklatante Fehlentscheidung hin, da man sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, alle eventuellen Auswirkungen der Einführung eines Bildfilters zu beleuchten.

Hat sich die Foundation Gedanken über diese Auswirkungen gemacht und trotzdem diese Entscheidung getroffen, dann kann man dies nur als eine politische Entscheidung verstehen, um irgendwelche Kritiker in den Vereinigten Staaten zu beruhigen. In diesem Falle sollte man darüber nachdenken, ob es noch sinnvoll ist, dass die Wikimedia in den Vereinigten Staaten beheimatet ist. Es kann nicht sein, dass die Auffassung einzelner Staaten bzw. von Personen aus diesen Staaten ein internationales weltweites Projekt dominieren.

Noch eine Anmerkung zum Schluss. Es kann sinnvoll sein, dass einzelne Bilder in einem Artikel nicht sofort sichtbar sind. Dies sollte jedoch direkt im Artikel bestimmt werden und nicht über ein weit entferntes, nicht direkt beeinflussbares Kategoriesystem. Alan Taylor macht dies z. B. in seinem Fotoblog „In Focus“ so. Aber dann ist dies teil des redaktionellen Prozesses. Dieser redaktionelle Prozess sollte jedoch in den Wikimedia-Projekten nicht durch technische Lösungen ausgehebelt werden, die am Ende den Abwägungsprozess der Autoren niemals ersetzen können.

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Über Liesel

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8 Antworten zu Bildfilter

  1. Alofok schreibt:

    Sehr schön getroffene Wörter, Liesel. Der Bildfilter wird noch mehr Arbeit machen als Wiki(m/p)edia schon so hat. Vor allem rechnet man mit weniger Benutzern in der Zukunft, wer soll dann das alles machen? Und es stimmt: Jeder empfindet etwas anderes als eklig, abartig oder schockierend. Es ist bisher eine freie Enzyklopädie und keine zensierte. Der Bildfilter ist ein weiterer Schritt zur organisierten Zensur ohne wirklich die Autoren und Fotografen gefragt zu haben.

  2. Thomas Schmidt schreibt:

    Schöner Artikel.

    @Alofok: Ja, der Filter wird zur Zensur genutzt werden, das haben selbst Befürworter schon zugegeben.

    Ich freue mich schon auf die Ausblendung aller Karten, weil ich Höhenangst habe.

  3. Alofok schreibt:

    @Thomas Schmidt: Dann sollen die Herrschaften aus Kalifornien mal aus sämtlichen Projekt-Slogans das „freie/free“ streichen. Weil das einfach irreführend ist. Viele Menschen stellen sich unter „frei“ eher liberale, somit unzensierte Inhalte, vor die selbstverständlich gesetzlich in Ordnung sind

  4. mazblnMaz schreibt:

    Gut herausgearbeitet. Ich bin ja nicht immer deiner Meinung, aber den hier skizzierten Gedankengang kann ich gut nachvollziehen.

  5. Marcus Cyron schreibt:

    Der vielleicht beste Beitrag zu dieser Diskussion.

  6. Matthias schreibt:

    Ein völlig unterschiedlicher Aspekt, der bislang von niemandem so richtig bedacht wurde. Und er zeigt auch die Anfälligkeit des Systems: sortiert jemand Teddy Roosevelt und alle anderen Präsidenten der USA als Teddybären ein, sehen alle Anti-Teddybären-Benutzer keine Präsidenten mehr.

  7. Cecil (@CecilWP) schreibt:

    Und dann gehts noch weiter mit dem Umfang einer derartigen Kategorie. Wie allumfassend oder zersplittert soll sie sein. Gehört die Herstellung von Teddybären bis hin zu einfachen Fotografieren eines Stück Pelzes oder Kulleraugen bereits in diese Kategorie. Oder muss ein Benutzer mit Teddybärenphobie zahlreiche Kategorien ausblenden um ja nicht belastet zu werden. Und ab welchen Status gehört ein Teddybär in die Teddybärenkategorie: muss er dazu bereits ausgestopft sein oder reicht sein zusammengenähter Body.

    Und würde eine Zeichnung ihres Teddys durch meine zweijährige Nichte auch in diese Kategorie fallen, obwohl nur liebevolle Verwandtenaugen diese Zeichnung als Teddy erkennen würden.

    Ein nur leicht an Teddyphobie Leidender hätte vermutlich kein Problem, das Foto der Auslage eines Spielwarengeschäfts anzusehen, in dem unter all den Spielsachen auch ein halb verdeckter Teddy sitzt. Einem stark an dieser Phobie Leidender könnte dieses Bild aber nicht mehr zugemutet werden. Genauso wie Bilder eines Band-Liveauftrittes, bei denen ein paar Fans Teddys auf die Bühne geworfen haben 😉

  8. Liesel schreibt:

    Cecil, das meinte ich mit Randbereiche eines Themas.

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